Reichertz, J. (2003). Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske und Buderich.

Band 13 aus der Reihe Qualitative Sozialforschung. Reichertz beschreibt die Abduktion nach C.S. Peirce. Die Abduktion stellt neben Induktion und Deduktion einen weiteren Weg zum Erkenntnisgewinn dar. Hypothesen (die wiederum induktiv getestet werden können) sind das verbalisierbare Ergebnis nicht-sprachlich stattfindender Abduktion. Abduktion bezeichnet also einen geistigen Prozess, dessen Ergebnis sich in einer Hypothese Ausdrückt. Wichtig hierbei ist, dass die Abduktion nicht von bekannten auf unbekannte Größen schließt, sondern aus einem überraschenden (neuen) Ereignis ein Regel vollzieht, die das Ereignis erklärt. Diese Regel muss jedoch erst gefunden werden, darf mithin nicht schon zum Bekannten zählen (Peirce bezeichnet das überraschende Ereignis dabei als non-ego). Für Forschungsprozesse ist das Buch interessant, im konkreten praktischen Handlungsalltag lassen sich jedoch nur wenige Anschlussmöglichkeiten vermuten; für Erklärungsmodelle in fortgeschrittenen Reflexionsprozessen könnte die Abduktion u.U. verwendbar sein.

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Erlernte Hilflosigkeit

- Hilflosigkeit und Apathie können erlernt werden: Leben Menschen in Institutionen, in denen alle Entscheidungen abgenommen werden, entwickeln sie entsprechendes Verhalten

- Abnehmen von Entscheidungen, Handeln ohne Erfolg oder Konsequenz haben Auswirkungen auf die Motivation und die Kognition (vgl. Deci &Ryan: Selbstbestimmungstheorie der Motivation): "Verliert der Mensch die Kontrolle über die Konsequenzen seines Verhaltens, so erlebt er sein Handeln als unsinnig, dies verringert seine Motivation zum Handeln, er reagiert apathisch und hilflos." (S. 176)

- Einfluss auf die Kognition: Nach Erfahrung der Unkontrollierbarkeit hat der Mensch Schwierigkeiten wieder zu lernen, dass seine Reaktionen einen Einfluss haben

- Glaube, dass Erfolg und Misserfolg unabhängig vom eigenen Können sind

- Bewohner in Institutionen sollte ein größtmögliches Maß an Selbsttätigkeit und Selbstentscheidung erhalten bzw. ermöglicht werden

- Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten sind daher nicht nur pädagogische Ziele auf Grundlage eines Menschenbildes, das den autonom handelnden individuellen Menschen im Blick hat, sondern eine wesentliche Voraussetzung für die psychische Gesundheit des Menschen und damit für seine physische Existenz (S. 176)

 

Thesing, T. (2009). Betreute Wohngruppen und Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger Behinderung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.